Autor: G. Peukert
In den Umbruchszeiten nach dem ersten Weltkrieg begann Rudolf Steiner - stark beeindruckt von eben diesem - eine gegenwartsgemäße Stellung der Schule im kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Leben zu beschreiben. Begeistert von diesen und anderen Ideen Steiners bemühte sich Emil Molt - der Direktor der Waldorf-Astoria Zigarettenfabrik - um Rudolf Steiner als Gründer für eine Schule für seine Arbeiter und deren Kinder. Rudolf Steiner nahm die Aufgabe an, berief das erste Kollegium und arbeitete mit ihm in über 70 Vorträgen, Seminaren, Konferenzen und in Unterrichtsbesuchen die Elemente der Waldorfpädagogik, aber auch der kollegialen Selbstverwaltung heraus. Dem Industriellen Emil Molt und dem Anthroposophen Rudolf Steiner ging es hierbei, nach dem Schrecken des Weltkrieges, um eine gesellschaftliche Umwandlung. Es war (und ist !) das Ziel, aus dem Menschen das zu entwickeln, was in ihm veranlagt ist, um so der Gesellschaft neue Kräfte zuzuführen. So wurde 1919 in Stuttgart die erste „Freie Waldorfschule" eröffnet - die erste deutsche Gesamtschule.
Alle Beweggründe der Waldorfpädagogik haben in der Entwicklung des werdenden Menschen ihren Ursprung, deshalb „dreht" sich in der Schule alles um das KIND. Zuvordererst tritt es als Individualität an die Lehrer, diese haben diese Individualität als Ganzes zu achten, mit dem, was es aus Vorleben mitbringt und was es aus Schicksalsverbindung zu den Lehrern einfordert. Aus der „allgemeinen Menschenkunde" von Rudolf Steiner heraus entwickelte sich der Lehrplan - bindend, aber nicht dogmatisch. Dabei wird nicht gefragt, was die Erwachsenen bzw. die Gesellschaft benötigt, sondern es wird das Kind in seiner Ganzheit (Körper, Seele und Geist) erfasst. Von den Pädagogen ist gefordert jedes Kind zu betrachten, zu akzeptieren ggf. zu meditieren. Aus dieser BEGEGNUNG (auch mit der Gruppe bzw. Gemeinschaft) entwickeln sie die pädagogische Herangehensweise. Die intentionale Zielbestimmung des Lehrers (Vorbereitung) trifft auf das Neue, Spontane der Kinder. Die Begegnung wird zum DIALOG und dieser zum PROZESS und steht dem übergestülptem Wissenstransfer entgegen. Der Lehrer befindet sich in einem Wechselverhältnis zwischen Lehren und Lernen.
Der „Erziehungskünstler" ist mit seinem Dialog nie fertig, und die Form seines Unterrichts muss sich ständig verändern, im Fluss sein, denn der Unterricht ist lebendig! Für den Schüler darf es keine Entfremdung zum Lernprozess geben, er muss das Lernen lernen, hier hilft die KUNST als Lebenselement der Waldorfpädagogik. Sie findet die Wege alle Wesensglieder des Kindes anzusprechen - auch die träumerischen und schlafenden Kräfte. DENKEN, FÜHLEN und WOLLEN müssen in ein richtiges Verhältnis gebracht werden, dies schafft die schöpferische Kraft des RHYTHMUS.
Wir alle leben in unterschiedlichen Rhythmen und sie beherrschen uns in vielfältiger Weise. In dem Schulalltag bildet ein Wechsel der Gegensätze die Grundlage zum lebendigen Unterrichten. Ein- und Ausatmen, Ballen und Lösen, An- und Entspannen, Wachen und Schlafen, Blut und Nerv, usw. - diese Polaritäten müssen künstlerisch gesteuert werden, um die Kinder zu bereichern. Kleinste Unterrichtseinheiten bis zu dem gesamten Schulleben sollten von einem gesunden Rhythmus geprägt sein.
Grundsätzlich wird der Unterricht von der 1. - 8. Klasse vornehmlich durch den Klassenlehrer erteilt. Fremdsprachen (Englisch und Französisch ab der 1.Klasse), religiöse und künstlerische Unterrichtsgegenstände wie Eurythmie, Handarbeiten (ab der 1. Klasse), Werken und Gartenbau (ab der 5. Klasse), werden von Fachlehrern unterrichtet. Klassenlehrer und Fachlehrer bilden die Klassenkonferenz. Dort treffen sich diejenigen Lehrer, welche mit einer Klasse arbeiten und sind somit für die Mitglieder einer Klassengemeinschaft die ersten Ansprechpartner.
Der Klassenlehrer ist also in täglichem Kontakt mit „seinen" Kindern, besonders im sog. Hauptunterricht, welcher 105 Minuten am Stück stattfindet. Diese prägnante Zeit - im Regelfalle die 1. und 2. Stunde - hat der Klassenlehrer künstlerisch-rhythmisch zu gestalten.
Der Hauptunterricht ist grob in drei Teile zu gliedern:
Den rhythmischen Teil (hier ist vor allem das Willenselement des Kindes angesprochen), den Haupt- oder Arbeitsteil (das Denken wird „geschult") und den Erzählteil bzw. Schluss (hier darf das Kind träumerisch fühlend erleben). Natürlich ist Denken, Fühlen und Wollen jederzeit anwesend und besonders das Gefühl muss in den ersten Jahren besonders angesprochen werden. Geprägt ist diese Teilung durch den Entwicklungsstand der Klasse, so wird der Hauptteil z.B. mit den Jahren mehr Raum einnehmen, während er in den ersten zwei Jahren immer wieder durch rhythmische Elemente aufgelockert wird.
Die Kinder kommen am Morgen in den Klassenraum und haben mit Hand, Augen und Herz die erste Begegnung mit ihrem Lehrer. Durch ihr Temperament, Haltung, Gesichtsfarbe, Händedruck, etc. aber auch durch ihr spontanes verbales Mitteilungsbedürfnis beginnt der Dialog. Wochentage, Wetter, persönliche Schicksalsereignisse uvm. prägen schon jetzt den noch nicht begonnenen Unterricht. Zu Beginn des Unterrichts dürfen einzelne besondere Erlebnisse der Gemeinschaft mitteilen. Gespannt wird zugehört - welch wichtige Tugend - und Anteil genommen. Die Kinder müssen aber so erzählen, dass es alle verstehen können. Das ist am Anfang nicht so einfach und wird gerne geübt. Die gemeinsame Begrüßung und der Morgenspruch folgen. Von der l. - 4. Klasse hat dieser die Geste des „Außen nach Innen", später des „Innen nach Außen". Praktischerweise stehen die Kinder nun, so dass jetzt endlich das künstlerisch-rhythmische Tun folgen kann: Sprüche, Gedichte, Lieder (für die Kleinen pentatonisch), Fingerspiele, Körpergeometrieübungen (RechtsLinkskoordination), Wahrnehmungsübungen des Einzelnen und der Gruppe, Abzählübungen, Kreisspiele, Klatschen, Stampfen ...
Der Jahreszeitenlauf mit seinen christlichen Festen bestimmt viele Inhalte. Es geht lustig bewegt - auch mal laut - zu, stets geführt durch die „geliebte Autorität". Die Kinder dürfen wach werden, „auf die Erde kommen" - sich inkarnieren. Der Bewegungsdrang und das vorherrschende sanguinische Temperament der Kinder wird berücksichtigt. Der rhythmische Teil ist so lang, wie er sein muss, d.h. wie die Situation es fordert, ein guter Hauptunterricht - auch in den höheren Klassen - ist künstlerisch zu beginnen.
Ab der 2. Klasse sprechen die Kinder an dem Wochentag ihrer Geburt (wenn möglich), den von ihrem Klassenlehrer zu jedem Jahr gegebenen Zeugnisspruch. Sie sprechen einzeln vor der Klasse und erarbeiten Inhalt, Sprache, Betonung und Rhythmus mit dem Lehrer. Die kleinen Gedichte und Verse haben unmittelbar etwas mit dem Kind zu tun und sind als Lebens- bzw. Entwicklungshilfe gedacht. Es ist wieder eine intensive Begegnung zwischen Lehrer und Schüler möglich, in welcher sich die Kinder unbewusst offenbaren.
Alle Kinder sitzen nun und sind auf den Lehrer konzentriert. Nun wird das am Vortag Besprochene und Erarbeitete wiederholt. Die Inhalte sind „durch die Nacht gegangen" und können bereichert weitergeführt und vertieft bzw. abgeschlossen werden. Die Hausaufgaben werden kontrolliert oder vorgelesen. Bestenfalls führen sie direkt in die Weiterarbeit am Epochenthema. Die inhaltlichen Schwerpunkte einer Epoche bestimmen für drei bis vier Wochen den Arbeitsteil. Die Abfolgen dieser Epochen sind vor jedem Schuljahr vom Lehrer vorgeplant und gestalten sinnvoll rhythmisch das Jahr. Jedes Jahr wird dieser Kanon reicher - immer altersgemäß abgestimmt. In der Gestaltung des Hauptteils gibt es unendlich viele methodische Möglichkeiten, die Schüler fertigen ihr „Schulbuch", das Epochenheft, selbst und lernen aus diesem für die Lernkontrolle. Die Klasse hat in der Regel die Möglichkeit zur Stillarbeit, in welcher die höchste Konzentration herrscht.
Nach diesem „Einatmungsprozess" freuen sich die Kinder, entspannt dem Erzählteil zu zuhören. Der Erzählteil trägt dem Weg des Kindes auf die Erde Rechnung. Inhalte von der 1.Klasse an: Märchen, Fabeln, Altes Testament, Germanische Mythologie, Griechische Mythologie, Darstellungen von Ereignissen der Geschichte. An diesem Punkt sind Klasse und Lehrer ganz harmonisch miteinander verbunden.
Die Kinder erleben diesen immer wiederkehrenden täglichen Ablauf, genießen die damit verbundene Sicherheit und können sich an ihr orientieren. Der Lehrer versucht zu jeder Zeit dem entwicklungsbedingten Verhalten des Kindes mit Verständnis und Humor zu begegnen und auch durch seine Autorität Raum für die Entwicklung des eigenständigen, in seiner Individualität wahrgenommenen Kindes zu schaffen. Mit seinen passenden Inhalten vervollständigt der Lehrplan den Rahmen, an welchem sich die Kinder entwickeln sollen.
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